Und am Ende der Straße parkt das Haus am See – Mit Familie und Bus ins Weser-Leinebergland

Endlich! Alle dabei! Ich mag es meine komplette Familie um mich zu haben und loszufahren. Ein Blick auf die Landkarte im Vorfeld mit Rücksicht auf Schwangerschaft, Zeit und Wetter, bringt das Örtchen

Los geht es! Der Familien-Express auf Reisen.

Wallensen ins Spiel. Das Dorf im Landkreis Hameln-Pyrmont scheint mit seinen knapp 1000 Einwohnern wie jedes andere, trägt jedoch mit dem Humboldtsee und dem dazugehörigen Camping-Park ein echtes Ass im Ärmel. Das perfekte Ziel für eine kleine familiäre Auszeit.
“Da sind wir in einer Stunde und nen Keks!”, posaune ich am Vortag in die Runde, als es darum geht wie lange wir denn fahren würden, bis wir den von mir erwählten Camping-Platz erreichen. Mit dieser vagen Zeitangabe im Hinterkopf lassen wir es an diesem Freitag gemütlich angehen. Jeder, ausser mir. Während ich versuche die Hardware für unser Wochenende zusammenzusuchen um Sätze wie “Wenn man nicht alles selber macht!” oder “Schade, daß wir das nicht mithaben, wäre jetzt irgendwie praktisch!” zu vermeiden, bleibt der Rest entspannt, stärkt sich und lässt den Papa in seinem Element wüten. So muss es ja auch sein, denn eine derart spezielle Familienzeit sollte von Anfang an der Erholung dienen. Und hey, wir fahren ja nur eine Stunde und nen Keks!

Der Ith -Ein Gebrige, daß es zu überqueren gilt.

Der JX-Motor qualmt gegen 14:00 Uhr eine ordentliche Dieselwolke in den Sommertag. Los geht es, auf in Richtung Wallensen! Nicht ganz, denn einfach nur zum Ziel ohne ein wenig Natur-Kultur geht gar nicht. Ich habe noch eine ganz besondere Zwischenstation unweit von Wallensen ins Visier gefasst. Der Wasserbaum in Ockensen ist ein vom Menschen geschaffenes Naturdenkmal und liegt quasi auf dem Weg. Schnell mal abgefahren, denke ich und programmiere das Navi mit der Vorgabe Autobahnen und Fähren zu vermeiden. Es dauert ein wenig bis wir den Feierabendverkehr Göttingens hinter uns gelassen haben, um dann endlich ruhig und frei über die Landstraßen des Leineberglands zu gleiten. Gerade als ich dem erneuten Nachfragen der Kinder nach Restdauer unserer Fahrt mit zwölf Minuten antworte, stehen wir plötzlich mit dem Bulli vor einer gesperrten Strasse. Auch bei der nächsten Abfahrt schickt uns das Navi immer wieder zu dieser stillgelegten Trasse, die uns über den Ith führen soll. Irgendwie scheint es als sollten wir diesen 439 m ü.N. hohen Mittelgebirgszug und mit etwa 22 km Ausdehnung längsten Klippenzug

Norddeutschlands nicht überqueren. Nicht mit uns! Beherzt tragen wir die Barrikaden auf der Strasse zur Seite und rollen mit dem Bulli auf den scheinbar noch befahrbaren Weg. “Pass auf, am Ende fallen wir in eine tiefe Schlucht!”, scherze ich und lenke uns guten Mutes auf dem menschenleeren Teerbahn entlang. Nach einer langen Kurve auf einem Bergkamp türmen sich geschredderte Asphaltberge vor uns auf. Das wäre dann wohl eine klare Grenze zwischen den Möglichkeiten eines alten Bullis und einer tonnenschweren, allradbetriebenden Planierraupe. Wir schaffen es gerade nochmal zu wenden und verabschieden uns von dieser nicht ganz so legalen Idee den Ith zu überwinden. In einer nahegelegenen Ortschaft verschafft uns dann ein analoges Navigationsgerät in Form eines rüstigen und wortgewandten Rentners den nötigen Überblick.
Mit über einer Stunde Verspätung erreichen wir dann den Wasserbaum Ockensen. Wir sind begeistert beim

Von Menschenhand geschaffen: Der Wasserbaum in Ockensen.

Anblick dieses vulkanartigen Gebildes. Der Wasserbaum geht zurück auf ein Sägewerk, das im 19 Jahrhundert dort betrieben wurde. Um eine elektrische Turbine mit Wasserkraft antreiben zu können, war ein Mühlenteich einige hundert Meter hangaufwärts am Ith angelegt worden, aus dem das Wasser durch Rohre in das Sägewerk geführt wurde. Für den Betrieb der Turbine musste dieser Stauteich gut gefüllt sein, und der Sägemüller musste immer zuvor zum Teich gehen um den Füllstand zu überprüfen.
Um sich diesen lästigen Gang zu ersparen und schon vom Sägewerk aus erkennen zu können, ob der Teich vollgelaufen war, errichtete der Sägemüller unterhalb des Stauteiches ein hohes hölzernes Überlaufrohr. Wenn der Stauteich gut gefüllt war, sprudelte aus dem Überlauf Wasser.
Aus dem stark kalkhaltigen Wasser fällt der Kalk bei Luftberührung aus und lagert sich in großen Mengen als Kalktuff am Überlauf ab. Durch die zusätzlich angesiedelten Moose hat dieser Überlauf heute das kuriose Aussehen eines hohen moosbewachsenen Baumstumpfes erhalten, aus dessen oberem Ende Wasser quillt.

Smoke on the water.

Die Zeit drückt ein wenig aber unser Ziel ist dann ohne weitere Zwischenfälle schnell erreicht. Der Campingpark Humboldt-See liegt idyllisch gelegen inmitten des Naturschutzgebiets der Duinger-Seenplatte. Schon beim Einchecken fällt uns die Sauberkeit und die Freundlichkeit mit der man uns hier begegnet äußerst positiv auf. Als wir auf den uns zugewiesenen Platz mit Blick über den ganzen See fahren kommt er, der Gedanke den man nicht allzu oft hat: “Alles richtig gemacht!”. Auch wenn der Kommentar meines Sohnes “ich weiss nicht, hier sind wir ja voll auf dem Präsentierteller!” micht kurz wieder runterholt, kann mir diesen Moment dann doch keiner nehmen. Dank des kleinen Anhängers sind die Schlafgemächer schnell eingerichtet und wir testen erstmal die Wasserqualität des rund 7 Hektar grossen Sees, welche bei der

Abkühlung in der ehemaligen Grube.

letzten Messung im Jahr 2014 durch offizielle Stellen der Europäischen Union die Note „ausgezeichnet“ erhalten hat. Bei 24 Grad Wassertemepratur lässt es sich aushalten, lediglich die Kinder müssen sich erst an die füssekitzelnden Pflanzen im Uferbereich gewöhnen. Einfach herrlich so ein Haus am See.
Das Gewässer selbst ist dem Braunkohlentagebau zu verdanken und war einst die “Grube Humboldt”. Hier befand sich das einzige Braunkohlenvorkommen in Niedersachsen neben dem Helmstedter Revier. Nach der Entdeckung der Braunkohle im Gebiet um Wallensen im Jahr 1787 begann 1843 hier der planmäßige Kohleabbau von den bis zu 60 m grossen Flözen mit angeschlossener Brikettfabrik. Im Jahr 1966 wurde der Betrieb wegen Unwirtschaftlichekit eingestellt und die Landschaft rekultiviert. Mit den Baggern und Planierraupen der Humboldt-Gesellschaft wurde aus dem zerklüfteten, toten

Ufer-Fundstücke

Brachland eine naturnahe Landschaft gestaltet und diese mit heimischen Laub- und Nadelbaumarten aufgeforstet. Bei der Modellierung der Landschaft wurden mehrere Restlöcher gelassen, die sich in den folgenden Monaten mit Grundwasser füllten bzw. durch Einleiten von Wasser aus der Saale geflutet wurden. Zusammen mit einigen weiter östlich gelegenen sind diese Seen (teilweise Restseen aus der Ton- und Gipsgewinnung) heute als “Duinger Seenplatte” bekannt.
Erfrischt treffen wir auf unsere Nachbarn Albert und Volker. Albert ist hier Dauercamper und kommt aus Einbeck. in seinem kleinen Eriba-Wohnwagen mit Vorzelt hat er alles was man so braucht. Albert ist hier bekannt wie ein bunter Hund. Jeder der zum Baden den Steg unterhalb unseres Stellplatzes wählt grüsst den braungebrannten Renter freundlich. Albert scheint Anlaufstelle für einen kurzen Schnack und Wetterorakel für die anderen Camper zugleich zu sein. Herrlich zu beobachten mit welcher Gelassenheit dieser Mensch den Tag begeht. Volker, der andere Nachbar kommt aus Peine und ist mittlerweile drei Jahrzehnte Stammgast hier oben. Er erzählt den Kindern, man hätte hier im See schon Krokodile gesichtet und schmunzelt sich dabei in seinen ergrauten Oberlippenbart. Originale, wie man sie eben nur auf Campingplätzen finden kann.

Alles dabei für eine nächtliche Angeleinheit.

Die Sonne wandert so langsam gen Westen. Ich entzünde schnell den Grill und wir geniessen das Abendmahl bei Panoramablick bei völlig entspannter Atmosphäre. Doch das soll der Tag noch nicht gewesen sein. Ich habe den

Kinder versprochen mal wieder angeln zu gehen. So konzentriert wie beim Herrrichten der Ruten habe ich die beiden schon lange nicht mehr gesehen. Toll mit welcher Hingabe die Schnur geführt wird und die Utensilien zurechtgelegt werden. Als die Dämmerung einbricht machen wir uns auf zum anderen Ufer. Hier lassen wir uns auf einem Steg nieder und halten die Ruten in den stillen See. Wie geniessen die Ruhe, die Reflektionen der Feuer am gegenüberliegenden Ufer, den Anblick der winzigen aus dem Wasser hüpfenden Frösche, den Flug der Fledermaus knapp über dem Wasser un

Am Feuer erzählen sich Geschichten noch immer am Besten.

d die vielen kleinen Lichtsignale der Glühwürmchen um uns herum. Ein Abend der seinesgleichen sucht und sich tief in mein Vater-Herz einbrennt. Plötzlich bewegt sich ein Schwimmer auf uns ab. Ein Fisch scheint am Wurm zu knabbern. Gespannt und fast schon erstarrt warten wir was passiert. Als Viki die Schnur langsam einholt ist der Wurm mit dem Fisch verschwunden. Fast hätte auch noch das geklappt. Aber man kann nicht alles haben. Wir gehen ohne Beute aber

trotzdem zurieden zurück zum Bus und tischen Bine am Lagerfeuer auf ein Hecht hätte beim Überlebnskampf Kilians Angel zertsört. Kleine Räubergeschichten zur Nacht eben, die uns auch noch in die Schlafkojen begleiten. “Was, wenn mir so ein grosser Hecht morgen am Bein vorbeistreift?”, fragt mich eines Kinder. “Dann packen wir ihn uns mit der Hand uns sparen und die Angelei! Schlaft jetzt! Nachti!”.

Auch zum Wachwerden ist der Humboldtsee bestens geeignet.

Die Wärme der Morgensonne läst mich früh aus dem Zelt klettern. Kilian und ich haben aus Platzmangel im Bus diese Variante der Übernachtung gewählt. ich folge direkt Albert, der zu seinem morgendlichen Bad runter zum Steg wandert. “Sowas gibt es ja kaum noch!”, sagt Albert und meint damit uns. Eine ganze Familie beim Campen findet Albert toll und ist froh uns als Nachbarn zu haben, gesteht mir der Einbecker. Wachgebadet bereiten Bine und ich das Frühstück vor. Wieder eine Mahlzeit, die vom Ausblick her ihresgleichen sucht. Gegen Mittag beginnt die Sonne unaufhörlich auf uns herab zu brutzeln. Mit üb

Schöner ist kaum möglich. Wir kommen bestimmt wieder Campingpark Humboldtsee.

er dreißig Grad im Schatten treibt es uns regelrecht ins Wasser. Wir lassen uns auf den Luftmatratzen treiben, bis uns die Uhr dann doch vorgibt dieses Paradies wieder zu verlassen.

Es soll noch weiter durch das Pottland gehen, wie die Gegend hier wegen der Keramik-Betriebe vor mehreren hundert Jahren genannt wurde, vorbei an den Kanstein-Klippen in den nahegelegenen Freizeitpark Rastiland. Ein vergnüglicher Abschluss eines wunderschönen Wochenendes zu viert (und in Kürze zu fünft). Ich hoffe, daß die Kinder diese zwei Tage auch in Erinnerung behalten. Als Zeit mit Ihrem Vater, der ihnen die Natur wieder näher gebracht hat und somit Schule und mobile Endgeräte wenn auch nur für kurze Zeit vergessen ließ.

2 Kommentare

  • Peter Patt

    Dnke für Ihre lesenswerte Beschreibung von Urlaub und Hintergründen der Region am Humboldtsee. Sie vermögen eine gute Zusammenführung von Wissenswertem und Unerhaltsamen. Auf Wiedersehen! Ihr Peter Patt

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