Gewohnheitstiere und Superhelden auf Reise – Aus Tradition ins Südsee-Camp

Wenn der Nebel am Morgen den Tau auf die kleinen Spinnennetze in den Grashalmen legt und die ersten Lebkuchen in den Supermarkt-Regalen zu finden sind, dann ist das untrügerische Zeichen zum

Symbol des Altweibersommers und zum baldigen Start ins Südsee-Camp

Start in den jährlichen Südsee-Camp-Familienurlaub gesetzt. Ein Wochenende in der Heide, dass uns zusammenhält und immer wieder aufs neue ausgiebig zelebriert wird.
Von Jahr zu Jahr wird die Organisation perfekter aber auch aufwendiger. Denn dank Corona heisst es mehr koordinieren und reservieren.

Der Diesel hat auch E-Fahrzeuge mit im Gepäck

Eigentlich nicht ganz so prickelnd, da ein erholsamer Urlaub ja nicht unbedingt durchgetaktet werden sollte. Aber so ist das nun einmal, denn die Pandemie setzt leider weiter ihre Marken. Und so machen wir uns an diesem wolkenfreien Donnerstag Morgen auf zu unserem insgesamt zwölften Besuch im schönsten Urlaubscamp der Lünebruger Heide. Routiniert passieren wir die uns heute mal wohlgesonnene A7 und rollen zur Mittagszeit mit unserer sieben Mann starken Besatzung an den Tisch des “Miss

PeppeR“. Das Diner liegt wenige

Während Bruno sich ruht, dinniert die Besatzung im Diners

Kilometer vom Ziel entfernt und ist oft erste Anlaufstation für hungrige Busfahrer, die ihren Urlaub oder eben das Treffen in Wietzendorf verbringen wollen. Man könnte die Vorgänge an diesem speziellen Wochenende ein wenig mit dem Phänomen der atlantischen Lachse vergleichen, die durch eine innere Uhr angetrieben wieder zu ihrer Geburtsstätte schwimmen – komme was wolle.

So treffen wir beim Einchecken auch auf “alte” und mächtig sympathische Bekannte. Die T3-Fahrer Markus und Kerstin aus Holzminden haben sich hier

ebenfalls eingefunden, um frisch gestärkt die letzten Tage des Sommers im Südsee-Camp zu begehen. Die Szene rottet sich eben trotz erneuter Absage des offiziellen Treffens lachsartig wieder zusammen. Ehrlich gesagt, finde ich das außergewöhnlich

Homecoming 

gut, denn um “zusammen zu stehen” braucht es nicht immer eine Dachorganisation.
Wieder pünktlich um 15:00 Uhr öffnet sich für uns die Schranke für das 126 Fussballfelder grosse Gelände. Wie immer beziehen wir ein Haus im Feriendorf Sommarbÿ. Seit letztem Jahr ein kleines Glücksspiel, denn die Häuser werden nicht mehr im Zuge der Buchung vergeben, sondern erst kurz vor der Anreise. Da uns die “üblichen”, sich immer zu dieser Zeit einmietenden Grüppchen sehr bekannt sind, bleibt bis zum Schluss offen, ob wir in einer ruhigen Gegend hausieren oder die Enklave in einer Party-Area bilden. Die Hausnummer verspricht Gutes, wenn sich nicht noch am Freitag oder Samstag ein Junggesselle:innen-

Permiere im Südsee

Club in der Nachbarschaft niederlässt. Kaum haben wir die Haustür geöffnet strömen die Kinder ins Innere. Ida hat als jüngster Teilnehmer dieser Reise schnell herausgefunden, dass auf jedem Kopfkissen der acht Betten ein Tütchen mit Gummibären zu finden ist. So ist der Vorrat für die nächsten Tage ordentlich aufgestockt. Als wir ausräumen bedankt sich meine Mutter bei mir für das gute und sichere Fahren. Balsam für die Seele, den ich gleich per Blechberührung an Bruno weitergebe. Die Temperaturen drücken an diesem Nachmittag ungemein und der Schweiß fließt beim Auspacken in Strömen. Schon auf der Herfahrt haben mein Sohn und ich beschlossen ein jahrelanges Vorhaben nun endlich in die Tat umzusetzen. Noch nie waren wir wegen des unbeständigen Wetters im campeigenen Südsee baden. Heute passt alles, selbst Ida ist mit vollem Eifer dabei. Was für eine wohltuende Abkühlung. Man meint es zischen zu hören als unsere erhitzten Körper in das kühle Nass gleiten. Der See wird übrigens aus 100 unterirdischen Quellen gespeist und ist an seiner

Es werden immer mehr…

tiefsten Stelle unglaubliche 15 Meter tief. Fakten, die ich verschweige um die Fantasie meiner Kinder nicht unnötig anzuregen. Das hat gut getan! Auf dem Rückweg sind immer mehr Bullis auszumachen, die sich auf ihren “Laichgründen” einfinden.
Es ist eben alles so wie es sein soll! Den Abend verbringen wir gemütlich auf der Terasse, erzählen uns Geschichten aus den letzten zwölf Jahren, bevor sich die Türen der viel zu warmen Schlafgemächer schließen. “Da hätte man auch im Bus schlafen können”, denke ich mir, verwerfe aber schnell den Gedanken als ich an die anderen sechs zufrieden schlummernden Mitbewohner in diesen vier Wänden denke.
Gut das wir Ida mithaben, denn sonst hätte unsere Reise ins Traumland garantiert länger als bis 6:20

Es gibt kein schlechtes Wetter…

Uhr gedauert. Nun ja, wenigstens genug Zeit um gemütlich den Tag anzugehen und bei leichtem Regen Brötchen im Dorf-Bistro “Bootsmann” zu jagen. Der heutige Tag ist mit zwei Terminen recht durchgeplant. Als um kurz vor Zwölf passend der Himmel aufreisst verlassen wir das Haus um in das heißgeliebte “Badeparadies” zu gehen. Ida war in ihrem noch so jungen Leben zwar schon dreimal hier ist aber dennoch wieder völlig überwältigt von der tropischen Wasserwelt. Juchzend springt das Kind durchs Kinderbecken oder paddelt im Schwimmreifen durch die Wellen. Auch beim Rest der Familie

Warten auf den Bade-Slot…

blicke ich in zufriedene Gesichter. Ein Moment der auch mich sehr glücklich macht. An der Kontiki-Bar noch schnell ein Weizenbierchen und für die Kinder eine Portion Pommens, dann heisst es nach zwei Corona-Stunden schon wieder das Bad verlassen. Ein kurzweiliger Spaß aber jede Minute wert wie wir finden. Nachmittags mache ich mich auf ein paar Aufkleber-Bestellungen unter die Bulli-Fahrer zu bringen. Es ist einfach toll in dieser Gemeinschaft unterwegs zu sein. Man kennt sich von den unterschiedlichsten Treffen oder einfach nur durch die sozialen Netzwerke. Jeder geniesst die Auszeit vom Alltag und ist recht ruhig und chillig unterwegs. Selbst der Bus von Marco, dem Teilegott, steht einfach nur normal auf der grünen Fläche der Pilzwiese. Ein seltener Anblick, denn als

Vorbei an der John Deere “Paula” in Richtung Teilegott

Himmelreich für die Feierwütigen bekannt, scheint an diesem Wochenende auch ein Gott mal Pause von seiner Party-Schöpfung zu machen.
Alles ein wenig anders als sonst, denn coronabedingt ist der Camping-Platz zudem nicht voll belegt und es tun sich ziemlich große Abstände zwischen den einzelnen Bussen auf. Von einigen Freunden weiss ich, dass die Verwaltung aus diesem Grund einen Aufnahmestopp für Bullis verhängt hat. Es wären also noch viel mehr Transporter angerollt, wenn es denn gesundheitspolitisch möglich gewesen wäre. Aber auch so tummeln sich an die 400 dieser Vehikel auf dem Areal und geben einem das nötige Weitzendorf-Feeling. Kult will gepflegt sein und so finden sich meine Reisegruppe wie immer am Freitag um 18:00 Uhr im Bootsmann ein um den Spare-Ribs-satt-Abend zu feiern. Wir haben uns im Vorfeld wieder Strategien zurecht gelegt, wie man möglichst viel Rippchen zu sich nehmen und eigene, über zwölf Jahre errungene Rekorde brechen kann. Beim Betreten des Bistros

Das durch Tränen versalzene Alternativ-Essen 🙁

verwandelt sich unsere Euphorie mit einem Blick auf den leeren Grill in eine zeitlupenartige Panik. “Irgendwas stimmt hier nicht!”, schiesst es mir durch den Kopf. Mit Aufgabe der Bestellung wird es dann traurige Gewissheit. Der Spare-Ribs-Freitag wurde nach über einem Dutzend an Jahren einfach eingestellt. Unsere Münder sind schwer zu schliessen. Gewohntheitstiere in Schockstarre und gewöhnliche Alternativ-Menüs bestellend. Eine Szene, die uns wohl noch lange in Erinnerung bleibt und ein Kult, der nun zu Grabe getragen werden kann. R.I.P. Rippchen! Vielleicht aber auch die Geburtsstunde eines neuen Rituals. Wir werden sehen. In zwei der Nachbarhäuser sind zudem wie befürchtet Horden junger Männer eingezogen, die laut und biergeschwängert schlagerlastige Lieder mitjohlen. Die schrägen Gesänge begleiten uns noch bis spät in die Nacht und machen mich auch irgendwie wütend, denn während auf dem Platz pinibel die Nachtruhe unter den Bullifahrern kontrolliert wird, darf hier im Dorf, in dem nachweislich mehr Familien wohnen, partybedingt alles abgerissen werden. Da sollte sich die Leitung des Camps wirklich mal ein stimmiges Konzept überlegen dass allen Urlaubern gerecht wird.

Es muss ja weitergehen…die rollende Tiki-Bar!

Der Himmel hat in der Nacht ordentlich mitgetrauert. Grosse Pfützen ergänzen nun wie kleine Badeseen das Landschaftsbild zwischen den Bullis, aber tun der Stimmung unter den Fahrern keinen Abbruch. Endlich treffe ich auch Michael mit seiner T3 Doka wieder, die er liebevoll John Deer “Paula” nennt. Michael ist mit dem Häuschen auf der Ladefläche leicht zu finden und in der Szene ein echtes Urgestein. Ich mag die Vorstellung mir die Fahrer dieser kultigen Autos in ihrer ganzen Individualität als Superhelden aus einem Bulli-Marvel-Universum vorzustellen. Vor meinem geistigen Auge kann ich förmlich sehen, wie Michael in einem feschen, grünen Anzug, à la “Green Lantern” zusammen mit einem laserwerfenden, nebelspeienden Teilegott in großen Runden über den Platz fliegt. Der eine mit einem gelben Hirsch auf der Brust, der andere mit der Ziffer 13 auf dem Umhang. Wäre nur die Frage welche Rolle ich in diesem Team einnehmen würde. Genug gesponnen, denn die Blutlinie braucht auch ihre Zeit und so steht der Samstag voll im Dienst der Familie. Ein erneuter Schwimmbadbesuch, ein paar Spielplätze

Gemütlichkeit in Reinform

abklappern und am fühen Nachmittag endlich in die Kinder-Disco. Die Vielzahl an Angeboten für Groß und Klein macht das Südsee-Camp aus und zum echten Suchtfaktor. Der Racelette-Grill am Abend, eine Runde Monopoly und die Trash-Show im TV bei einem Täfelchen Schokolade sind die Ingredienzien eines perfekten Abends im Kreise der Lieben. Besser geht nicht und auch die feiernden Nachbarn sind kaum noch zu hören, da der erneut einsetzende Regen die Party nach Innen verlegt hat. Der letzte Gedanke gilt im Bett einem Ungetüm, dass schon Jahre auf mich wartet und schon jetzt seine schleimigen Tentakel nach mir ausstreckt. Die Krake, das ulitmative Fahrgeschäft im Heide-Park scheint mich telepahtisch förmlich zu verspotten. “Dir werde ich es zeigen!”, denke ich mir leise und verabschiede mich aufgeregt ins Schlummerland.

Nächster Halt: Heide-Park in Soltau

Für 11.30 Uhr sind die Ticktes im Freizeitpark gebucht. Eine weitere Taktung, die unseren Urlaub durchtreibt, aber nach all der Zeit der Entbehrung in 2020 einfach sein muss. Jedes zweite Jahr geben wir uns den Achterbahnen, Karussels und Schaukeln hin. Dieses Jahr wollen mein Sohn und ich an unsere Grenzen gehen. Vetröstet haben wir die Krake immer wieder, aber heute

stacheln wir uns gegenseitig an und marschieren mit aufgesetzten Scheuklappen quasi direkt zum Eingang der Hölle. Uns liegt wahrscheinlich noch der Monopoly Slogan vom Vorabend im Ohr: “Begib Dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los.” Bine gesellt

Sie wartet nur auf mich mit einem Lächeln im Gesicht!

sich kurzfristig dazu. In Trance wahrgenommen, reihen wir uns hochkonzentriert aber irgendwie auch dem Schicksal ergebend in den Tross der Verdammten ein. Das Klacken der schliessenden Sitzbügel klingt endgültig und wir befinden uns nach all den Jahren endlich auf dem Weg nach oben um dann senkrecht hinunter in das Maul des Kraken zu schiessen. Instinktiv ziehe ich den Kopf ein und lasse mich dann hinab ins Dunkel gleiten. Stumm ertrage ich den Ritt während meine Sitznachbarin den Akt in Dauerschleife mit “Oh Gott, oh Gott, oh Gott…” kommentiert. Wieder draußen fühlen wir uns wie Helden. Das Adrenalin lässt und wachsen und wir wollen es mit jedem Fahrgeschäft

Heldenhaft die Krake bezwungen mit Blick auf die nächste Herausforderung

da Draußen aufnehmen. Auf dem Weg in die Warteschlange zur höchsten Holzachterbahn der Welt, verrichtet Ida Ihr windelweiches Geschäft. Einander unterstützend lassen Bine und ich vom Vorhaben Kolossos zu reiten und säubern stattdessen auf dem Boden der Tatsachen wieder angekommen unser Kind. Wenigstens die großen Kinder können auch noch diese Herausforderung von der Liste streichen. Nach einer gehörigen Portion Nuggets und der 100 km/h schnellen Desert-Race Bahn, krampft sich mein Magen ein wenig zusammen. Die Grenze scheint erreicht und das Adrenalin beim Windelwechsel verpufft zu sein. Zeit um in den heimischen Schoß von Bruno zu klettern und alle heil nach Hause zu fahren. Die Strecke ist frei und während die Augen aller Mitfahrer so langsam nach unten sinken, lasse ich noch einmal alles Revue passieren. Die Mischung aus Famlile und Hobby ist einfach unschlagbar. Besonders aber ist vor allem die Zeit mit meinen drei Kindern, denn gerade die Großen sehe ich viel zu selten. So habe ich neben Weihnachten wengistens einen weiteren Fixstern an dem ich mich orientieren kann. Noch schnell einen Blick in den Rückspiegel und dann schliesst sich auch dieses Kapitel mit Gewohnheitstieren und Superhelden für ganze 362 Tage.

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