Drei Tage mit dem Strom – Im Bulli entlang der Weser (Teil 3)
Wieder vorbei an endlos scheinenden Weideflächen inklusive Milchvieh wird Bremerhaven angesteuert. Der Weg führt uns nach etlichen Brückenüberquerungen auch mal unter die Weser. Der Wesertunnel ist 1,6 Kilometer lang, liegt zum Teil 40 Meter unter der Erde und verbindet die Landkreise Wesermarsch und Cuxhaven. Spannend für die Kinder, beklemmend für die Frau, Genuss für mich wenn ich dem hallenden Blubbern des 1.7 Liter Diesel Motors in diesem Schacht lausche. Geschafft, wie bei einer Geburt bahnt sich der Bulli den Weg ans Licht und schiebt sich Richtung Bremerhaven, der einzigen deutschen Großstadt an der Nordsee. Gestern noch unter den Ausmaßen Bremens gelitten erschlägt uns Bremerhaven erneut. Stadtfahrten mag das Auto durch die dauernden Zwiachenstops überhaupt nicht und wir wollen eigentlich auch nur raus aus diesem Moloch, der die Sehnsucht nach einer freien Aussicht mit jedem verschlungenen Fahrkilometer wieder grösser werden lässt. Allein die Fahrt entlang der Hafenanlagen ist beeindruckend und macht klar zu was der Mensch in der Lage ist. Riesige Containerbrücken, meterhohe Speicher und mächtige Ozeanriesen hinterlassen bei uns schon Eindruck, sind aber nichts im Vergleich zur Sand- und Meeressehnsucht der wir ab jetzt entgegenfiebern.
Dann endlich lassen wir das Grau hinter uns und hangeln uns von Dorf zu Dorf gegenüber am Nordsee-Deich entlang. Nun ist die Weser Eins mit dem Meer und die Fahrt durchs wunderschöne Wurstener Land beruhigt und wirkt fast hynothisch nach der schwer verdaubaren Industrieaussicht im Überseehafen. Reebdachgedeckte Backsteinhäuser- und Höfe, liebevoll gepflegte Siedlungen und ein leicht südlich wirkendes Flair untermalen die Schönheit dieses Landstrichs. Nach ein paar Kilometern Fahrt finden wir uns auf einmal inmitten einer beeindruckend schönen Heidelandschaft wieder. Ein rötlicher Schimmer liegt über dem gesamten Gebiet und lädt uns zur spontanen Rast ein. Wir stoppen in einer Einbuchtung die mit kleinen Glasscherben übersät ist. Hier wird wohl versucht heideverrückten Urlaubern die Parkmöglichkeiten zu nehmen. Zu Recht, da Naturschutzgebiet, aber nicht per Schild gewarnt eher eine Falle für bulliverliebte Reisende.
Zum Glück haben die breiten Reifen nichts abbekommen und wir tauchen ein in diese einmalige Landschaft zum Eidechsen- und Ringelnatterzählen.
Ein paar Meilen weiter ist dann endlich Cuxhaven, die letzte Sation unserer Reise erreicht. Obwohl die Freude groß ist schwingt bei mir auch ein wenig Wehmut mit die Weser jetzt verloren zu haben. Die Karte führt uns zum Campingplatz Finck der direkt hinterm dem Deich und unter zwei Hoteltürmen seinen Standort hat. Wir sind ein wenig zu früh, und platzen in die heilige Mittagsruhe. Die nichtbesetzte Rezeption gibt uns ein wenig Zeit um einen ersten Blick in Richtung Meer werfen. “Wo ist das Wasser?”, fragt Viktoria und wir predigen ihr das Lied der Gezeiten zum gefühlt fünften Male vor. Nachdem wir einglassen wurden und zu unserem Platz rollen, verhindert ein im Weg stehender Kleinwagen den Bezug unseres Nachtlagers. Nach 45 Minuten kommen ihre graubehaarten Besitzer mit dem Pedelec um die Ecke geschossen. Während die Frau recht freundlich die Freimachung ankündigt, brummelt ihr Ehegatte unverständlich in die andere Richtung. Mein Angebot ihn per Handzeichen in seine zugewiesene Parkbucht zu geleiten wird mit kräftigem Abwinken verneint. Den Einparkwinkel zu steil gewählt drückt sich das Auto an den nahen Zaunpfosten und
erhält ein teures Andenken von seinem murrenden Besitzer. Der Wegweiser für ein etwas anderes Klima als in Vlotho und der Hinweis, dass Dauercamper und Tagesreisende nicht immer kompatibel zueinander sein müssen.
Lager errichtet, nun aber auf zum Strand und rein ins Watt! Wäre nicht gerade Pfingstsonntag gewesen hätte man vielleicht noch mehr Spaß auf dem schlammigen Untergrund empfunden, doch wenn tausende Menschen mit ihren Vierbeinern (Hund und Pferd) diesen Ort belagern kann das mitunter schon etwas nervend sein. Dennoch, den Kindern nimmt der Andrang nicht den Spass diesen Weg zu beschreiten und auch der Dackel weiss vor Freude und Artgenossenvielfalt nicht wohin mit seiner Freude.
Ein schöner Tag und ein noch schönerer Sonnenuntergang läuten dann das Ende dieses Tages ein. Seeluft macht ja bekanntlich hungrig und nachdem das zum Mittag vertilgte, obligatorische Fischbrötchen auch schnell verbrannt ist, hilt ein wenig Fleisch vom Grill über den Rest hinweg. Die sehr gepflegten sanitären Anlagen tragen zum Wohlbefinden der Familie bei und man kuschelt sich Abends frisch in die Schlafsäcke. “Mama, ich finde das Watt viel schöner als die Ostsee!”, höre ich noch mit einem Ohr aus dem Bus, als mich das Stimmenspiel der Nachtigall wieder einmal in den Schlaf begleitet. In der Nacht werde ich
jedoch vom rauhen Seewind und einem kleinen Regenschauer geweckt, der den Stoff des Zeltes gehörig zum Flattern bringt. Die um Drei Uhr Nachts immer noch nicht ruhen wollenende Nachtigall begleitet meine kleine Nachjustage. “Nun aber schlafen, morgen steht viel an!”, denke ich und entschwinde erneut.
Nach dem morgendlichen Strandbesuch wollen wir mehr von Cuxhaven sehen und fahren ins Zentrum der Küstenstadt. Hier treffen moderne und klassische Architektur einmal gekonnt aufeinander. Liebevoll sanierte Altstadthäuser, der Leuchtturm von Cuxhaven, einladende Einkaufspassagen, das Hafenviertel und der Wasserturm sind ebenso sehenswert wie der Fischmarkt, den wir durch Zufall entdecken. Eine Mischung aus Markt und Flohmarkt, lässt das Sammlerherz meines Jungen
Luftsprünge machen und so finden sich schnell ein paar Bullimodelle in seiner Einkaufstüte wieder. Doch genug konsumiert, uns zieht es doch wieder direkt ans Meer. Wir verbringen Stunden damit Muscheln und Kleingetier einzusammeln als uns die Flut dann zurück ans Land zwingt. Ein Abschiedsessen in der örtlichen Pizzeria lässt schon ein wenig Trennungsschmerz bei allen aufkommen. So schwelgen wir in den erlebten Geschichten und lästern über die Familie gegenüber,
die spassige Rechenübungen macht um auch ja im Urlaub nicht den Anschluss in der Schule zu verlieren. Eine letzte Runde in Richtung Meer, dann geht es für die finale Nacht zu unserem Buscamp. Die Nachbarn hinter dem Zaun tauschen sich noch lauthals in einer kleinen Runde aus, welche WC-Kabine denn die Bessere sei und warum das Wetter denn die vergangenen Tage besser als angesagt war. Mein Sohn aber flüstert mir leise zu er könne sich vorstellen hier für immer zu bleiben!