Wie Könige unter Kaisern – Bärtige Geschichten am Kyffhäuser

Zwei Männer, zwei Bullis, ein Vorhaben: Auszeit am Kyffhäuser, dem Mittelgebirge zwischen Harz und Thüringer Wald mit geschichtsträchtigem Hintergrund und jeder Menge Freizeitwert. Ein Trip, der schnell vorbei aber auf gar keinen Fall schnell erzählt ist.

Auch in Minimalbesetzung zum maximalen Spaß!

Das hatten mein Kumpel Patty und ich schon lange vor. Wo einst bärtigen Männern der Geschichte gedacht wurde und ein Regime aus Frust darüber die Landschaft formte, wollen wir für kurze Zeit unser Seelen balsamieren. Jeder allein in seinem Bulli. Für mich eine Premiere und irgendwie auch sehr ungewohnt ohne Familie in den Van zu steigen, aber trotzdem bei dem Wetter mit hohem Lustfaktor. Wir sind gespannt was uns erwartet und treffen uns schon um 07.30 zur Abfahrt. Zu Beginnn der Osterfeiertage wollen wir zeitig vor Ort sein um den anderen Campingverrückten ein Schnippchen zu schlagen. Die Reise soll in Kelbra enden. Ein 3.420 Einwohner zählender Ort in Sachsen-Anhalt der neben seiner Lage am Kyffhäuser-Gebirge auch mit Stausee und Nähe zum

Freie Bahn zum Kyffhäuser.

Kyffhäuserdenkmal aufwartet. Die JX-Diesel-Motoren unserer Bullis blubbern Im Einklang auf die Strecke. Wieder einmal merke ich wieviel Kraft und Spritzigkeit Bruno im Gegensatz zu früher aufbringt. Der neue Trubolader von Caroobi und die neue Einspritzpumpe vom Auoteilekontor haben aus Bruno wieder einen vollwertigen Bulli gemacht, der jetzt jede Steigung mächtig anzieht. Nach kurzer

Fahrzeit landen wir auf der A38. Die Südharz-Trasse schlängelt sich genau am Zielgebirge vorbei und weist an diesem Morgen des “Car-Fridays” wenig Verkehr auf. Optimal also für gute Laune bei Sonnenschein und Musik vom Rocksender meines Vertrauens. Der Song “Mit 18” von Marius Müller-Westernhagen passt irgendwie genau zu dieser Situation. Auch Patty scheint bestens drauf und fährt immer wieder grinsend und mit erhobener Pommesgabel an mir vorbei. Nach einer knappen Stunde Fahrt können wir das Barbarossadenkmal, thronend auf dem

Perfekte Lage: Wasser auf der linken und der Kyffhäuser auf der rechten Seite.

Kyffhäuserburgberg als Naviagtionspunkt ausmachen. Doch zunächst beziehen wir unser Basislager. Der Campingplatz “Seecamping Kelbra“, wunderschön gelegen an dem mit 6 km² größten See der Region, bietet für unsere Zwecke die besten Bedigungen. Der ultimative Platz am Wasser und bester Ausgangspunkt für Exkursionen in die beeindruckende Karstlandschaft. Wir parken um 09:20 und sind mit dem Aufbau unserer Sitzgelegenheiten schnell fertig den Tag zu geniessen. Viel vorgenommen haben wir uns an diesem Tag nicht. Vielleicht mit dem Fahrrad raus, aber eigentlich braucht es allerlei Gespräche unter Männern.

Während einer die Grasnabe sucht…

Es ist herrlich, die Sonne brutzelt, die Hits der 90er wabern durch den Bus und die Getränke sind kalt. Glückseligkeit in Minimalform. Den Groove wollen wir nutzen und reiten doch auf unseren Drahteseln auf Erkundungstour. Die Landschaft ist wunderschön, auch wenn sie durch den Menschen stark geformt wurde. Der Stausee galt zu Zeiten der DDR und mit seinem Bau 1962 als Prestigevorhaben dass keine Zweifel duldete, obwohl man wusste dass man auf Höhlenboden baute. Das gigantische und vom Regime unbeliebte und für die Deutsche Einheit stehende Kyffhäuserdenkmal sollte mit der Anlegung des Freizeitgeländes und des nahegelegenden Funkturms diese

…schaut der andere in den Abgrund!

Symbolkraft überstrahlen. DDR-Logik, denn so lockte man im Endeffekt noch viel mehr Besucher zum 1896 errichteten Denkmal und schnitt sich wie so oft ins eigene Fleisch. Auch der einstige Einbruch des Seewassers in den Thomas-Münzer-Schacht, der zum Ende des Bergbaus in dieser Gegend führte kann heute die Schönheit des Ausblicks nicht mindern. Während Patty sich im Gras niederlässt, zieht es mich bergauf zu einem riesigen Krater. Ein stiller, aber natürlicher Zeitzeuge des fragilen Karst-Gebirges. Laut Geologen gleicht die Südflanke des Kyffhäusergebirges einem stetig wachsenden Schweizer Käse,

Alles hergerichtet für eine ordentliche Grillerei.

der entstehe wenn das Wasser Salze in dem porösen Untergrund löse und somit die Instabilität fördere. So kommt es immer

wieder zur Höhlenbildung und zu Einbrüchen an der Oberfläche. Apropos Käse, der Hunger treibt uns wieder zurück zu unseren Fahrzeugen. Bei knackigem Grillgut vom BBQ-Toro Raketenofen von Campfeuer, Geschichten über die Legende des Barbarossa und knallender Sonne lassen wir den Tag so langsam ausklingen. Ich tauche noch schnell in den See, wie ich es immer tue und denke daran wie unspektaklär der Rotbart während des Badens in einer Quelle am Herzinfarkt starb. Kein guter Gedanke, denn das Wasser ist eisig und ich hab noch viel vor. Beim letzten Schritt am Abend ins Bulli-Bett bleibe ich mit dem Fuß unterhalb der Schiebetür hängen. Mein Zehnagel gibt unter dem Druck blutend nach und bestraft diese Unachtsamkeit mit einem pulsierenden Schmerz, der mich noch lange durch die kalte Nacht begleitet.

So langsam weicht die Kälte aus den Gliedern.

Leicht gerädert erwache ich um 5:45 Uhr. Patty ist schon in Aktion, hat geduscht und aufgeräumt. Man kann einfach nicht vor diesem Mann aufstehen, egal wie früh es ist. Wir setzen uns an den See, lauschen der Tierwelt und feiern innerlich den wunderschönen Sonnenaufgang. Die frischen Brötchen vom Kiosk und ein Pott Kaffee erledigen den Rest. Heute vor der Heimfahrt wollen wir noch das Denkmal erklimmen. Jenen Koloss der zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. errichtet und nach dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica das drittgrößte Denkmal Deutschlands ist. Auch Kaiser Barbarossa, Kaiser des römisch-deutschen Reiches von 1155 bis 1190, der ebenso für die Einigung des Landes steht ist hier ein Andenken in den Fels gehauen. Die Bullis schieben sich die steilen Gebirgstrassen

Mit dem Denkmal im Hintergrund: Bruno am Ende des Anstiegs.

hoch auf 473,6 m ü. NN und mir geistert die Sage des

Kyffhäusers durch den Kopf. So soll Barbarossa in einer Höhle des Kyffhäuserbergs mitsamt seinen Getreuen schlafen, um eines Tages zu erwachen, das Reich zu retten und es wieder zu neuer Herrlichkeit zu führen. Ob wir sein Schnarchen vernehmen? Nicht zu verwechseln mit den heissgelaufenen Bulli-Aggregaten am letzten Anstieg. Als wir auf vier Rädern nicht

näher ran kommen, ist ein Fussmarsch angesagt. Gar nicht so einfach mit einem ledierten Zeh und bei rasant steigenden Temperaturen. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Ähnlich wie beim Anblick des Völkerschlacht-Denkmals in Leipzig habe ich das Gefühl in einem Herr der Ringe-Film zu sein. Unglaublich

Zwei Kaiser ein Bullifahrer.

was hier geschaffen wurde. Wir quälen uns die 247 Stufen zur Spitze des Denkmals mit unserer Höhenangst weiter hinauf. Nassgeschwitzt können wir weit ins Land schauen und verstehen nur zu gut warum gerade hier dieses Monument seinen Platz gefunden hat. Tief beeindruckt, durch unsere Bärte streichend und mit Impressionen vollgesogen begeben wir uns auf den Abstieg. Am Parkplatz fehlt uns nur noch eine Besonderheit dieser Region: Die Rostbratwurst. Gestärkt aber auch ein bißchen wehmütig bringen uns die Bullis sicher durch das frische Grün der Kyffhäuser Wälder und zurück auf die A38. Kurz und schön war es. Ein Adventure-Quickie in Mindestbesetzung. Fazit: Geschichte rockt so wie die 90er es taten!

 

 

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